Resolution zum Schutz jüdischen Lebens | Pro - "Für Antisemitismus, für Rassismus gibt es keine Staatsknete"

Mo. 07.10.24 | 14:55 Uhr
Archivbild: Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, nimmt an der Abschlusskundgebung einer Demonstration unter dem Motto «Gemeinsam gegen linken, rechten und islamistischen Antisemitismus - Solidarität mit Israel» der Deutsch-Israelischen Gesellschaft teil. (Quelle: dpa/Soeder)
Video: ttt - Titel, Thesen, Temperamente | 22.09.2024 | Ulf Kalkreuth | Bild: dpa/Soeder

Eine Resolution sieht vor, dass Projekte mit antisemitischen Inhalten künftig keine öffentlichen Gelder mehr erhalten. Der Politiker Volker Beck unterstützt den umstrittenen Entwurf. Er fordert eine klare Haltung gegen Antisemitismus.

Die Ereignisse am 7. Oktober 2023 haben auch in der Region die Debatte zur Nahostproblematik zugespitzt. In Brandenburg und Berlin wurden seit dem Angriff auf Israel deutlich mehr antisemitische Straftaten registriert. Auch an einigen Berliner Hochschulen kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, im Kulturbetrieb wird darüber gestritten, ob die Kritik an der israelischen Kriegsführung antisemitisch ist.

Seit dem Sommer wird nun der Entwurf einer geplanten Bundestagsresolution zum "Schutz jüdischen Lebens in Deutschland" heftig in der Öffentlichkeit diskutiert. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU wollen eine fraktionsübergreifende Resolution im Bundestag verabschieden — als Antwort auf den Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 und den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Der Entwurf, der dem rbb vorliegt, fordert die Bundesregierung sowie Länder und Kommunen unter anderem auf, Fördergelder in Kunst und Wissenschaft nur noch nach vorheriger Prüfung auf antisemitische Narrative freizugeben. Ein ähnliches Vorhaben, die sogenannte "Antisemitismusklausel" des Berliner Kultursenators Joe Chialo, ist gescheitert. Und auch die Bundestagsresolution ist noch nicht beschlossen. Es gibt offene Briefe und Appelle für und gegen den Entwurf. Der rbb hat mit einem Gegner und einem Befürworter der Resolution gesprochen. 

Zu den prominenten Befürwortern gehört der Politiker Volker Beck. Im Namen des Präsidiums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hat Beck kürzlich gefordert, dass der Bundestag die geplante Resolution zum "Schutz jüdischen Lebens in Deutschland" verabschieden solle. 

rbb: Herr Beck, Sie setzen sich dafür ein, dass die vier Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen nun endlich den in der Öffentlichkeit kursierenden Entwurf einer Bundestagsresolution zum "Schutz jüdischen Lebens in Deutschland" beschließen mögen. Warum? 

 Volker Beck: Der Worte sind genug gewechselt. Wir wollen Taten sehen. Ich bin sehr dafür, dass sich die Fraktionen zusammenraufen und genau klären, welche Gesetzgebungsschritte man unternehmen müsste, um Jüdinnen und Juden besser vor antisemitischen Herabsetzungen, Drohungen und Gewalttaten zu schützen. So etwas wie die documenta 2022, die unkuratierte Präsentierung antisemitischer Inhalte, darf sich so nicht beliebig wiederholen. Es muss klar sein: Für Antisemitismus, für Rassismus, für andere menschenverachtende Inhalte gibt es keine Staatsknete. Ich will den Parlamentariern nicht reinreden, wie lange sie dafür brauchen. Mir ist wichtig, dass am Ende etwas Substanzielles im Text steht, dass etwas Konkretes verabredet wird.

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Archivbild: Volker Beck, Praesident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. (Quelle: dpa/sulupress)
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Volker Beck war von 1994 bis 2017 Bundestagsabgeordneter der Grünen, von 2002 bis 2013 ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Seit 2022 ist Beck Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Er ist einer der Gesellschafter des Tikvah-Instituts in Berlin. 

Auf der Documenta 15 wurde 2022 mit öffentlichen Geldern eine große Kunstausstellung finanziert, in der offen antisemitische Symbolik und Bilder gezeigt wurden. Der Resolutionstext fordert, dass die Förderrichtlinien für die Vergabe von öffentlichen Geldern in Wissenschaft und Kunst geändert werden, sodass antisemitische Projekte kein Geld mehr bekommen können. Wie kann man das im Vorhinein verhindern?   

Der demokratische Verfassungsstaat fordert keine Werteloyalität seiner Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb führt der Vorschlag von manchen, irgendwelche Bekenntnisse zur Zuwendungsvoraussetzung zu machen, nicht weiter. Was der Staat aber machen kann: Er kann die Haushaltsordnungen ändern, dass antisemitische und sonstige menschenverachtende Inhalte nicht zuwendungsfähig sind. Das kann dann in Zuwendungsbescheide und Förderrichtlinien aufgenommen werden. Man überprüft es dann zuerst im Antrag und später beim Zuwendungsnachweis. Das macht man mit 1.000 anderen Kriterien genauso. Ob das Förderprojekt CO2-neutral ist, ob das Gender-Budgeting berücksichtigt ist, ob LGBTI-Personen angemessen bei der Umsetzung der Zuwendungen berücksichtigt wurden. Warum soll man dann nicht berücksichtigen können, ob das Produkt am Ende antisemitisch, rassistisch oder menschenverachtend war? Das greift auch in keine Freiheiten ein; man muss sich um Staatsgeld ja nicht bemühen

Über den vorliegenden Entwurf des Resolutionstexts wurde und wird sehr kontrovers diskutiert. Es gibt offene Briefe gegen und für dieses dreiseitige Papier. Dennoch haben Sie gefordert, dass der Entwurf so verabschiedet wird, wie er jetzt vorliegt. Was sind Ihre Gründe? 

Nach elf Monaten diskutieren und ringen, muss auch mal entschieden werden. Jeder konnte sich an der Debatte beteiligen, ob er eine Ahnung vom Thema hat oder nicht. Briefe oder Appelle zu schreiben, davon wurde doch reichlich Gebrauch gemacht. Die Fragestellungen sind doch in der Welt. Die Argumente sind ausgetauscht, die Kritiker sollen endlich mal sagen, was sie machen wollen. Die Seite, die Sturm dagegen läuft, dass diese Resolution verabschiedet wird, hat bisher nicht einen einzigen konkreten Vorschlag unterbreitet, um jüdisches Leben zu stärken oder besser zu schützen. Wenn sie nichts zu bieten haben, was soll man mit ihnen besprechen? Für eines gibt es auf jeden Fall keinen Bedarf: eine Resolution, die zum 199. Mal kontrafaktisch behauptet, es gäbe keinen Platz für Antisemitismus in Deutschland. 

Kritiker argumentieren, die Resolution würde – auch wenn sie kein Gesetzestext ist – eine Art Sonderstatus für den Schutz jüdischer Menschen schaffen. Braucht es das? 

Es gibt keine Forderung nach einem besonderen Recht für jüdische Menschen im Text. Das ist einfach ein Gerücht, eine Lüge. Es gibt viele, die über den Text sprechen, ihn aber entweder nicht gelesen haben oder nicht verstehen wollen. Es steht darin – und das hat die Kulturministerkonferenz auch schon gefordert - dass das Zuwendungsrecht dahingehend geändert wird, dass keine antisemitischen, keine rassistischen und keine sonstigen menschenverachtenden Inhalte mit Steuergeld finanziert werden. Wo ist denn da ein Sonderrecht? 

Warum braucht man dann diese Resolution, die gesondert auf den "Schutz jüdischen Lebens in Deutschland" abhebt? 

Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die bisherigen Regeln nicht ausreichen, sondern zu einer Störung des öffentlichen Friedens und zu einer Finanzierung von Hass geführt oder dies zumindest nicht verhindert haben. Wir wollen dabei nicht nur Jüdinnen und Juden schützen, sondern jede Gruppe von Menschen, die angegriffen wird.

Nun soll die Resolution nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken – weder bei Demonstrationen noch in wissenschaftlichen Diskursen, Podiumsdiskussionen, aber eben auch nicht bei künstlerischen Veranstaltungen, Aufführungen, wo etwa Kritik am Vorgehen Israels formuliert wird. Wo endet für Sie das Recht auf Meinungsäußerung und wo beginnt das Strafrecht? 

Die Grenze ist da, wo Straftaten begangen werden. Die Grenze ist da, wo Gewalt ausgeübt oder damit gedroht wird. Die Grenze ist da, wo es zu Volksverhetzung kommt. Die Grenze ist da, wo der Geltungs- und Achtungsanspruch von Jüdinnen und Juden oder auch Israelis angegriffen wird, ihnen das Recht auf gleiche Freiheit oder das Leben abgesprochen wird. Ansonsten muss man jeden Wahnsinn im Rahmen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ertragen. Also das Demonstrationsrecht bedeutet natürlich – genauso wie die Meinungsfreiheit, wie die Pressefreiheit, wie die Kunstfreiheit – auch immer ein wenig Narrenfreiheit. Das muss in einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft ertragen werden. 

Vielen Dank für das Gespräch.  

 Mit Volker Beck sprach Ulf Kalkreuth für ttt – Titel, Thesen, Temperamente.

Sendung: ttt – Titel, Thesen, Temperamente | 22.09.2024  | 18:50 Uhr

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