rbb|24-Adventskalender | Hochgestochen, tiefgestapelt - 5. Tür: Einen vom Baum erzählen

Di. 05.12.23 | 06:00 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
Adventskalender Tür 5: Brandenburgs älteste Bäume (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: rbb/M. Behrendt

Diesmal: besonders alt. In Brandenburg erzählen Gedenktafeln, Statuen oder Gemälde von der Geschichte des Landes. Doch es gibt noch lebende Zeugen vergangener Epochen: Eichen, Linden und Ulmen. Nur sagen sie nichts. Eine Geschichte bekommen sie trotzdem.

24 Geschichten mit Höhen und Tiefen aus Berlin und Brandenburg. Was ist besonders hoch oder tief, ist nur besonders speziell zu erreichen oder irgendwie anders besonders. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Eigentlich immer nur ganz kurz, und zwar genau dann, wenn die Jugendlichkeit gerade so überstanden ist, prahlen die Menschen mit ihrem Alter. Später im Leben dann will keiner mehr mit den Beweisdaten der eigenen Reife herausrücken.

Andere Lebewesen dagegen taxiert der Mensch problemlos mit den exakten Reifegraden in Jahreszahlen. Ist der Hund vier, muss er doch "endlich mal ruhiger werden", hat die Katze bis zu ihrem zehnten Geburtstag überlebt (70 Menschenjahre oder so), hat sie es "langsam hinter sich", die Schnittblume bringt es auf zehn Tage - vorausgesetzt "sie steht kühl und hat immer frisches Wasser" - dann muss sie weg.

Einige kannten Fontane schon

Der Einzige, der raus ist aus dieser Tretmühle der Vergänglichkeit, ist der Baum. Er ist der Teufelskerl unter den Lebewesen. Eichen fangen in ihrem 90. Jahr noch nicht mal an zu schwitzen, wenn sie austreiben. Die Buche hat oft mit 100 noch nicht einmal ihre erwachsene Lebenshöhe erreicht und einige noch heute ausschlagende Brandenburger Linden spendeten als erwachsene Exemplare schon Theodor Fontane Schatten.

Illustrator Embe - Marcus Behrendt (Quelle: rbb/Marcus Behrendt)
rbb/Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", bekannt auch als Marcus Behrendt, hat für den Adventskalender eine neue Farbe erfunden: das röteste Weihnachtsrot außerhalb von Vatikanstadt. Er ist auch Pädagoge und zeichnet schneller als ein Weihnachtsschlitten im Sturzflug. Stets mit den besten Utensilien ausgestattet, kritzelt er sich durch alle Medien. In der Weihnachtszeit liest er gerne einen guten Comic und genießt die schärfsten Soßen der Welt.

Redakteur Stefan Ruwoldt (rbb/M. Behrendt)
rbb/Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt hat diesen Weihnachtskalender auf dem Kopf stehend mit nur einer Hand geschrieben, und das Ganze an nur einem einzigen Tag und mit einer Feder, die Friedrich der Große einst aus Frankreich importiert hatte und dann in Pankow irgendwie vergaß. Rekord. Natürlich. Nach dem 24sten aber sitzt dieser Redakteur wieder an einem ganz normalen Schreibtisch und freut sich auf seine Feierabende ohne Bestwerte.

Und es geht noch älter. Die jahresgenaue Bestimmung lebender Bäume ist fast unmöglich. Man muss sie fällen, um die Jahresringe zu zählen - es sei denn man wendet aufwändige elektronische Scan-Methoden an. Brandenburgs Baumliste weist vor allem noch wuchernde Linden, Eichen und Ulmen aus, die grob geschätzt mehr als 400 Jahre alt und bundesgesetzlich geschützt eingetragene Naturdenkmale sind. Wann und warum sie genau gepflanzt wurden, ist meist vergessen - oft aber von Menschen mittelglaubhaft nachgedichtet.

Ein Geistlicher und sein Baum

Die wohl schönste und versponnenste Geschichte eines Brandenburger Baums ist die der Wichmannlinde, benannt nach einem christlichen Geistlichen mit großem Einfluss und Eindruck in seiner Zeit. Diesem Pater Wichmann von Arnstein, Begründer des Dominikanerklosters in Neuruppin, wurden Wunderkräfte zugeschrieben - dass er etwa zur Speisung der Armen die Fische in den Topf fliegen ließ, oder dass er am Ruppiner See übers Wasser gehen konnte.

Wichmann soll vor seinem Tode 1270, also vor rund 750 Jahren, bestimmt haben, in einem Sarg ummantelt aus Glas und Silber begraben zu werden. In der Erde darüber sollte eine Linde wachsen. Erst, wenn diese Linde fällt, könne sein Grab geöffnet werden - eine Art Jahrtausend-Garantie, verschont zu bleiben und ewig zu ruhen. Die Winterlinde, die sein Grab bewacht, steht noch immer an der Stadtmauer.

Tief oben neben dem Kanal

Übertroffen wird diese Geschichte in ihrer Alterskraft vielleicht nur von der Eichhorster Eiche, die älter als der Kanal nebenan ist, also bereits vor dem Wasser da war, was aber biblisch und wissenschaftlich betrachtet fast unmöglich ist. Genauer gesagt wurde der Kanal vor rund 250 Jahren hierher gebaut. Auf 650 Jahre wird die Eiche nun geschätzt - und gepriesen, weil sie eben stehenblieb, als hier für den Kanal ein Bett ausgehoben wurde und der Eichenstamm von dem Abraum rund vier Meter zugeschüttet wurde. Versunken ist sie nicht. Sie steht noch immer und treibt alljährlich aus.

Einmal also wurde der Mensch begraben und der Baum kuckt drauf, und einmal sozusagen umgekehrt. In weiteren 600 oder 800 Jahren werden sie vielleicht übers Wassers gehen. Also die Bäume.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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