Unterer Uckersee - Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte macht im Frühjahr Leinen los
Prenzlau hat wieder einen Ausflugsdampfer. Das Schiff stammt aus dem Jahr 1977 und soll sogar eine kleinere Rolle im Zuge der Wiedervereinigung gespielt haben. In wenigen Monaten soll es für Ausflugsfahrten zur Verfügung stehen. Von R. Wittig und G.-S. Russew
Zu DDR-Zeiten sollen Mitglieder des Zentralkomitees der SED sich auf dem Schiff vergnügt haben - später fanden angeblich Vorgespräche zur Deutschen Einheit auf ihm statt. Ab Frühjahr 2024 wird die "Weiße Muschel", wie das Schiff heute heißt, ihren Dienst als Fahrgastschiff auf dem Unteren Uckersee bei Prenzlau in der Uckermark aufnehmen.
In der vergangenen Woche ist das Schiff 50 Kilometer auf dem Landweg von Schwedt an der Oder nach Prenzlau an den Unteren Uckersee gebracht worden. Logistikexperten einer Spezialfirma aus Wustermark (Havelland), die schon mehrere Schiffe auf dem Landweg transportiert haben, nahmen sich der Sache an. "Wir haben die 'Hertha' und ein anderes Fahrgastschiff aus Wusterhausen nach Kyritz gefahren. Dazu kommen noch ein paar andere", sagte Klaus Pietack dem rbb. "Wir fahren viele Hausboote - eigentlich regelmäßig."
Doch dieses ist ein Boot mit besonderer Geschichte. 1977 gebaut, leistete es unter dem Namen "Kiewitt" viele Jahre als DDR-Delegationsschiff der SED auf Potsdamer Gewässern seine Dienste. Es soll eines von fünf Booten des Zentralkomitees der SED gewesen sein.
Vorgespräche zur Deutschen Einheit sollen auf der "Kiewitt" stattgefunden haben
Nach der Wende 1989/90 soll dieses Schiff als Ort für erste Verhandlungsgespräche zwischen DDR-Vertretern und Repräsentanten der Bundesrepublik gedient haben. "Die Verhandlungen zur Deutschen Einheit sollten auf neutralem Boden stattfinden", erklärte der Altwarper Reeder Lothar Bocklage aus Vorpommern, der das Schiff 2018 gekauft hatte. Da sei die "Kiewitt" - die heute unter "Weiße Muschel" geführt wird - ins Spiel gekommen sein.
Bocklage deutet an Bord auf eine braune Schiebetür. "Da hinter wurden diese Verhandlungen gemacht, dort am Tisch. Hier waren auch Kellnerinnen an Bord. Die sollten nicht alles mithören." Daher seien die Schiebetüren geschlossen worden, so Bocklage.
Honecker-Bild bei Umbauarbeiten hinter Klowand gefunden
Nach der Wende gelangte das Schiff in Besitz der Weißen Flotte. 1996 wurde es nach Zeuthen (Dahme-Spreewald) verkauft und auf "Panonia" umgetauft. 2018 kam es dann in den Besitz der Reeder-Familie Bocklage aus Altwarp in Mecklenburg-Vorpommern, die es dann auf "Weiße Muschel" umtaufte.
Bei Umbauarbeiten aufgrund von Brandschutz-Auflagen - die Vorbesitzer hatten das Boot fast in Originalzustand belassen - wurden hinter einer Klowand das Bild des ehemaligen DDR-Staats- und Parteischefs Erich Honecker und einiges an elektronisches Gerät aus DDR-Tagen gefunden. "Vielleicht war das Abhörtechnik. Aber so genau weiß ich es nicht", erklärte Bocklages Sohn Martin.
Während die Elektronik herausgerissen wurde, schaut auf Toilettengänger heute das Honecker-Konterfei herab. "Da gehört es auch hin", erklärte Martin Bocklage lachend.
Aus dem Schwedter Hafen über Land nach Prenzlau
Länger lag das Schiff im vorpommerschen Altwarp am Stettiner Haff und wurde dann über den Wasserweg über Haff und Oder nach Schwedt gebracht. Aufgrund des Wintereinbruchs lag die "Weiße Muschel" zunächst dort am Kai, bis am vergangenen Dienstag die Spezialfirma aus Wustermark anrückte, das 50 Tonnen schwere, 36 Meter lange und vier Meter breite Schiff an den Haken nahm und auf einen Schwerlastanhänger gesetzt hat. Nun soll es ab Frühjahr 2024 als Ausflugsdampfer auf dem Unteruckersee in Prenzlau seinen Dienst verrichten - nachdem es noch einen neuen neuen Unterboden-Anstrich bekommen hat.
Ab Ostern wieder betrieb auf dem Unteren Uckersee
"Mit einer Kapazität von bis zu 70 Passagieren passt es gut auf den Uckersee", sagte der Prenzlauer Bürgermeister Bürgermeister Hendrik Sommer (parteilos) dem rbb. Ein anderes Ausflugsschiff - die "Onkel Albert" - sei zuvor aus privaten Gründen verkauft worden, seitdem habe es auf dem Unteren Uckersee kein Ausflugsboot mehr gegeben.
Geplant sei, dass ein lokaler Betreiber die "Weiße Muschel" übernimmt, erklärte Sommer. Besitzer sollen aber weiter die Altwarper Bocklages bleiben. Mit der Stadt und einem Betreiber sei Entsprechendes vereinbart. Die Stadt habe sich mit 50.000 Euro an den Transportkosten beteiligt.
Sommers Angaben zufolge soll es künftig Touren für Touristen geben. Zudem sei die "Weiße Muschel" für Eventfahrten mit privaten Feiern an Bord zu chartern. Die "Weiße Muschel" soll zu Ostern 2024 starten.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.12.2023, 19:30 Uhr