Vorbehalte bei Firmen - Geflüchtete im Arbeitsmarkt - zwischen "dringend gebraucht" und Ablehnung
Fehlende Fachkräfte sind ein großes Problem für viele Unternehmen. Die Bundesregierung hat daher beschlossen, für Geflüchtete mit Duldung den Arbeitsmarkt zu öffnen. Doch Arbeitswillige haben noch mit weiteren Problemen zu kämpfen.
Bis zum Jahr 2033 werden der Berliner und Brandenburger Wirtschaft bis zu einer halben Million Beschäftigte fehlen, klagte kürzlich der Präsident des Unternehmerverbands Brandenburg-Berlin, Burkhardt Greiff. Daher begrüßte er den Vorstoß der Bundesregierung, Flüchtlinge und Migranten schneller in das Arbeitsleben zu integrieren. "Wir unterstützen alles, was Flüchtlinge, Zugereiste aus anderen Ländern, auch aus nichteuropäischen Ländern, schnell in Arbeit bringt", sagte Greiff im November dem rbb.
Arbeitsagentur: Viele gut ausgebildete Menschen mit Migrationshintergrund
Es gebe viele motivierte und gut ausgebildete Menschen mit Migrationshintergrund, bestätigt auch der Chef der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder) Jochem Freyer dem rbb. "Wir müssen versuchen, diesen Menschen den ersten Einstieg in den Arbeitsmarkt zu bieten. Wir unterstützen den Einstieg, indem wir beraten und fördern", so Freyer weiter.
Während Unternehmen und Firmen händeringend nach neuen Beschäftigten suchten, berichten jedoch einige Geflüchtete und Zugereiste, die hier in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, dass ihnen vonseiten der Arbeitgeber, Belegschaft oder im Kundenkontakt teilweise mit Vorbehalten begegnet werde.
So beispielsweise Mohamed Abdulraouf. Der Syrer hatte in den 1980er Jahren in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zum Dreher gemacht und war danach wieder in seine Heimat gegangen. 2015 flüchtete er aus Syrien und kehrte nach Deutschland zurück. Hier fand er aufgrund seiner Ausbildung und Deutschkenntnisse wieder Arbeit.
Bei einer Firma in Frankfurt (Oder) wäscht, repariert und modernisiert er jetzt Elektromotoren. Bei Terminen mit anderen Firmen sei er des Öfteren aufgrund seiner Herkunft auf Ablehnung gestoßen, sagt er. "Die wollten mit keinen Ausländern arbeiten", beschreibt er die Situation. Auch wenn er beispielsweise Landsleuten auf Jobsuche als Übersetzer geholfen habe, habe er immer wieder Ablehnung gespürt.
Mühlenwerks-Chef: viele unbesetzte Stellen
Thomas Ludwig, Chef der Oderland Mühlenwerke aus Müllrose (Oder-Spree), erklärt, dass es vor knapp 20 Jahren eine ähnliche Situation gegeben habe: als Polen 2004 der EU und dem Schengen-Raum beitrat und viele Polen sich in Richtung des deutschen Arbeitsmarkts orientierten. Damals sei seine Belegschaft sehr reserviert gewesen, als die Firma LKW-Fahrer aus Polen anstellte. "Die Löhne sind in Polen etwas niedriger. Man hatte dann als Mitarbeiter, der hier arbeitet, Angst, dass man nun weniger Lohn bekommt und, dass die Neuen, die kommen, die Arbeitsplätze wegnehmen."
Grundsätzlich könne er solche Vorbehalte nachvollziehen, sagt Ludwig. Aber heute würden keine Arbeitsplätze weggenommen. "Wir haben Arbeitsplätze nicht besetzen können. Also von der Seite her ist das überhaupt kein Risiko für die Mitarbeiter, die hier über Jahre beschäftigt sind", versichert Ludwig.
Arbeitsagentur-Chef: "Wirklich zum Heulen"
Auch Arbeitsagentur-Chef Freyer kennt solche Vorbehalte. Angesichts des Mangels an Fach- und Arbeitskräften würden zwar immer mehr Unternehmen auch auf der Suche nach ausländischen Mitarbeitern gehen - manche Arbeitgeber hätten aber noch massive Vorbehalte. "Das ist wirklich manchmal zum Heulen", so Freyer. "Wir brauchen viel mehr Unternehmen, die hier […] vorangehen, denn in den nächsten Jahren wird die Personalfrage zur Schicksalsfrage für Brandenburger Unternehmen."
Wenn erstmal die Babyboomer - also die Jahrgänge, die Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre geboren wurden - in Rente gehen, würden der Wirtschaft noch mehr Menschen fehlen, betont der Frankfurter Arbeits-Agenturchef. Gleichzeitig seien derzeit rund 20.000 Geflüchtete in Brandenburg auf Jobsuche.
Intergration auch von Ämterseite oft schwer gemacht
Um die schnell in Arbeit zu bringen, sind nicht nur die Unternehmen gefragt. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Integration aufseiten der Ämter zu schleppend geht", sagt Matthias Bär, Inhaber einer Maschinen-Service-Firma, dem rbb. "Dass es durchaus Leute gibt, die unbedingt arbeiten wollen, aber es an Sprachkursen hapert, obwohl die Leute aus meiner Sicht, sich schon im Alltagsgeschäft sehr gut artikulieren können."
Bundesregierung beschließt Kehrtwende
Anfang November hat die Bundesregierung beschlossen, dass Asylbewerber und Ausländer, die über eine Duldung verfügen, künftig schneller Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Das sieht eine Formulierungshilfe vor, die das Bundeskabinett Anfang November zusammen mit weiteren Änderungen im Ausländerrecht und der Strafprozessordnung beschlossen hat. Sie sieht vor, dass Geduldeten im Regelfall eine Beschäftigungserlaubnis erteilt wird. Außerdem soll das Arbeitsverbot für Geflüchtete, die in Erstaufnahmeeinrichtungen für Alleinstehende leben, bereits nach sechs Monaten entfallen. Bisher galt das Verbot für neun Monate.
Die Ampel-Koalition will auch die Stichtagsregelung für die sogenannte Beschäftigungsduldung ändern. Bisher kann diese Möglichkeit nur nutzen, wer vor dem 1. August 2018 in die Bundesrepublik gekommen ist. Künftig sollen alle, die bis Ende 2022 nach Deutschland eingereist sind, diese Chance auf eine langfristige Bleibeperspektive nutzen können.
Bei Bärs Angestelltem Mohamed Abdulraouf hat die Integration nach seinen Worten bereits geklappt. Seit mittlerweile sieben Jahren arbeitet er für den Elektromaschinen-Service. In der Firma seien aller sehr gut zu ihm gewesen, sagt Abdulraouf. Wenn er ein deutsches Wort nicht gewusst habe, sei ihm sofort geholfen worden. 2022 hat Abdulraouf auch die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Bisher wartet er allerdings noch auf Antwort vom Amt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 19.12.2023, 19:30 Uhr
Mit Material von Philip Barnstorf